Bei «20 Minuten» soll künftig eine Person arbeiten, die KI-gestützte Tools für journalistische und kommerzielle Inhalte entwickelt und implementiert. «Edito» hat nachgefragt.
Von Bettina Büsser
Eine/n «Prompt-Engineer/AI-Evangelist» suchte «20 Minuten» Anfang Jahr per Inserat. Evangelisten sind ja Verkünder von Glaubenslehren. Dass diese Bezeichnung im Zusammenhang mit AI vorkommt, überrascht nicht. Denn von AI erwartet, befürchtet oder erhofft man sich umwälzende Veränderungen. Gerade in der Medienbranche. Auch bei «20 Minuten». Die gesuchte Person ist laut Inserat unter anderem «verantwortlich für das Erstellen und ständige Weiterentwickeln von Prompt-Katalogen für die Generierung von redaktionellen wie auch kommerziellen Inhalten» und gestaltet «aktiv die Entwicklung und Implementierung von KI-gestützten Tools für journalistische und kommerzielle Inhalte auf allen Kanälen».
Generierung von journalistischen Inhalten mit KI: Reto Vogt, Chefredaktor von «Inside IT» kommentierte das Jobinserat auf Bluesky als «zu erwartende Entwicklung». Es sei, so Vogt auf Anfrage, das erste Inserat dieser Art, das er gesehen habe. Er halt es für eine «kritische Entwicklung», wenn KI zur Erstellung von redaktionellen Inhalten eingesetzt wird. Wird bei «20 Minuten» KI bereits so eingesetzt? Laut Sofia Sabatini, TX Group Communications, kommt KI zur Zeit etwa bei automatisierten Übersetzungen, für die Zusammenstellung eines Newsletters und im Kommentar-Management zum Einsatz.
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Es gebe – «Stand heute≫ – keine systematische Implementierung in einzelnen Bereichen, Ressorts oder Rubriken. Man prufe aber laufend neue Anwendungsbereiche, etwa bei der Erstellung von Leads oder Titeln. Und: «Die Person, die wir zur Zeit uber die erwahnte Stellenausschreibung suchen, soll als KI-Expert*in mögliche Tools evaluieren, testen und implementieren. Spruchreif ist derzeit noch nichts.» Sabatini weist darauf hin, dass «20 Minuten» für den Umgang mit KI eine Richtlinie erarbeitet hat. Sie lege etwa fest, dass Faktenchecks, Prüfung und Einordung durch menschliche Journalistinnen und Journalisten «zwingend» seien, wenn KI als Hilfsmittel eingesetzt werde. Zudem sehe sie eine Deklaration vor, «sodass rein durch KI erstellte Beiträge, etwa Illustrationen, klar als solche gekennzeichnet werden müssen». Reto Vogt von «Inside IT» zeigt sich beim Thema KI-generierte journalistische Inhalte und entsprechende Richtlinien nicht sehr optimistisch. Zu Beginn werde es bestimmt Qualitätssicherung und eine Kennzeichnung geben: «Aber ich befürchte, dass mit der Zeit auf beides verzichtet werden wird. Weil ‹es sich bewährt hat› oder weil es ‹irgendwann keine Rolle mehr spielt›.»
Assistierter Journalismus
KI kommt nicht nur bei «20 Minuten» zum Einsatz, sondern auch bei der SRG, bei der der NZZ-Mediengruppe und bei CH Media. Dabei geht es um Assistenzfunktionen, von der Rechtschreibkontrolle über einen intelligenten Thesaurus bis zu Stilvorschlägen und Übersetzungshilfen. Die Verlage betonen, dass nach wie vor Menschen die Texte verantworten. Etwas anderes würde das Publikum auch nicht akzeptieren: In einer repräsentativen Umfrage hat das Forschungszentrums Öffentlichkeit und Gesellschaft fög der Universität Zürich festgestellt, dass die Akzeptanz KI-generierter Inhalte in der Bevölkerung gering ist.
Auch das Medienausbildungszentrum MAZ widmet sich der Entwicklung hin zu einem KI-assistierten Arbeiten: Neu bietet das Institut einen Kurs «Journalismus mit künstlicher Intelligenz». Wichtig ist das Wörtchen «mit». Im Kurs geht es darum, wie Journalisten ihre Arbeit und ihr Storytelling mithilfe von KI verbessern können: «effizienter, effektiver und doch verantwortungsvoll».
MAZ-Kurs: Künstliche Intelligenz im Journalismus – Grundlagen