Service Public funktioniert ein wenig wie Meinungsfreiheit: Grundsätzlich muss ich nicht mögen, was du schaust oder was du hörst. Als überzeugter Demokrat setze ich mich aber dafür ein, dass auch deine Bedürfnisse in der Medienvielfalt abgedeckt sind.
Von Reda El Arbi*
Die «No Billag»-Initiative ist eigentlich nur ein Symptom für die gesellschaftliche Entwicklung unter einem superindividualistischen Imperativ. In der Argumentation der SRG-Hasser ist das häufigste verwendete Wort «ICH». «ICH schau das nicht!» – «ICH will nicht für andere bezahlen!» – «MEINE Interessen kommen zu kurz!» – «ICH kann mir das alles woanders kaufen!»
Gemeinsinn und der gesellschaftliche Zusammenhalt – die Grundwerte der Schweizer Willensnation – zersetzen sich wie Zucker im heissen Wasser, weil «Selbstverwirklichung» mit Egoismus und «Freiheit» mit Verantwortungslosigkeit gleichgesetzt wird.
Die SRG soll nicht meine Bedürfnisse abdecken. Sie soll für möglichst viele Schweizer ein Angebot an Information, Unterhaltung und Kultur liefern. Also nicht «MIR», sondern «UNS». Um das zu verstehen, ist ein grundsätzliches kognitives Erfassen des Gemeinschaftsbegriffs notwendig.
Demokratie wird daran gemessen, wie eine Gesellschaft mit ihren Minderheiten umgeht. Bei uns wären das dann die Tessiner, die Rumantschs, die Welschen. Die können sich nämlich reichweiten- und bevölkerungsbedingt kein werbefinanziertes Informations- oder Unterhaltungsangebot leisten, das diesen Namen auch verdient. Indem wir Gebühren bezahlen, zeigen wir uns solidarisch und bezahlen für eine gut informierte Gesamtschweiz, für kulturelle Vielfalt und für Angebote, die wir selbst vielleicht nicht nutzen, die aber unseren Mitbürgern zugutekommen.
Natürlich kommen dann die orthodoxen Marktgläubigen und mokieren: «Wenn man es nicht wirtschaftlich finanzieren kann, ist das Angebot nicht gut genug.» Falsch. Der Schweizer Markt ist zu klein, um ein Schweizer Fernsehen auf privater Basis und in bisheriger Qualität zu finanzieren. Selbst wenn alle Schweizer permanent fernsehen würden, wären die Einkünfte durch Werbung nicht ausreichend für ein gleichwertiges Angebot. Übrig blieben Franchisen der grossen deutschen Privatsender. Mit einem kleinen Nachrichtenmix für die Schweiz. Die Konsequenz wäre eine schlecht beziehungsweise noch schlechter informierte Gesellschaft, die noch anfälliger ist für verheerende politische Projekte, die ihr am Schluss selber schaden. So wie die «No Billag»-Initiative.
Service public funktioniert ein wenig wie Meinungsfreiheit: Grundsätzlich muss ich nicht mögen, was du schaust oder was du hörst. Als überzeugter Demokrat setze ich mich aber dafür ein, dass auch deine Bedürfnisse in der Medienvielfalt abgedeckt sind.
«Dann soll das über die Steuern bezahlt werden! ICH zahle schliesslich genug» – Die Architekten des Gebührensystems waren weder demokratische Analphabeten noch Idioten. Sie waren sogar ziemlich clever. Die Verteilung der Steuergelder unterliegt dem Parlament, also den gerade herrschenden parlamentarischen Mehrheiten. So könnte übers Budget Einfluss auf die Programmierung der Medien genommen werden.
Fazit: Wir hätten statt eines staatlich finanzierten Medienangebots plötzlich ein staatlich KONTROLLIERTES. Und das wollen die «No Billag»-Befürworter sicher auch nicht.
*Reda El Arbi ist freier Journalist und Blogger. Er ist Mitglied im Komitee «Nonobillag».

Service public
alle Beiträge21 Kommentare
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Doch Egoismus hat zu meinem Bedauern leider ein kurzes Gedächtnis und Rachsucht verbunden mit den notwendigen finanziellen Ressourcen einen sehr langen Atem.
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Binsenwahrheit:
Durch Werbung finanzierte Medien bringen nur das, was den zahlenden Werbebenden genehm ist....und das läuft genauso diskret wie die killing-omerta (schweigen) der mafia. Ein beitrag der Medien, der nicht genehm wäre, und schon ist der Werbeauftrag weg...so einfach ist das. Das, genau das hätte no-billag zur Folge. Also, wer für eine unabhängige Presse ist, LEHNT no-billag AB
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Jean-Claude Gfeller
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natürlich sollen die Gebühren sozialverträglich sein. Und ich denke, dass man da und auch bei der Definition des Service Public noch viel machen muss.
Nur gehts bei der Initiative nicht um die Billag. Im Initiativtext wird dem Bund verboten, öffentlichrechtliche Medien bereitzustellen, mit Geld oder Infrastruktur zu stützen oder zu betreiben.
Die Initiative will nicht die Billag abschaffen, sondern öffentlichrechtliche Medien und den Service Public.
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erstens arbeite ich in der Privatwirtschaft, und zweitens hast du mit deiner fehlenden Argumentation eigentlich bewiesen, dass der einzige der Hilfe beim Denken bräuchte, du bist.
Sorry, gäll.
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So ein Blödsinn. VOR dem Leuthard-RTVG war genau das Jahrzehnte lang der Status in der Schweiz und es hat gut geklappt: Wer bezahlt, konsumiert und alle anderen werden in Ruhe gelassen (wie bei der Autobahn-Vignette, dem SBB-GA und dem Tagi-Abo).
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Wir bezahlen alle mit unseren Steuern: Den Bau von Autobahnen, den Bau des Schienen-Netzes und sogar das Tagi-Abo wird über die Presseförderung unterstützt. Es ist ein Irrglaube, dass diese Angebote ohne steuerliche Unterstützung in gleichem Umfang wie heute funktionieren würden. Bitte überprüfen Sie ihre Aussagen.
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Desweiteren finde ich es geschmackslos die Befürworter der Initiative alle als egoistische Kleindenker abzutun. Die Medienwelt hat sich weit langsam verändert, als die Technologie welche sie nutzt - viele Services sind heute sowieso netzwerkorientiert und das ist auch gut so; schlichtweg ein Zeichen der Zeit.
Ich zahle Streamingdienste die ich benutze, da motze ich auch nicht, dass ich nicht alle Sendungen schaue und alle Künstler höre - dennoch zahle ich einen fixen Betrag und bin vollumfänglich mit der Gegenleistung zufrieden.
Bei der Billag hingegen zahle ich, ohne Fernseher, weil ich angeblich auf meinem Telefon Radio hören könnte? Warum zahle ich dann nicht eine Gebühr für all die Bücher die meine Augen eventuell lesen könnten? Mir scheint viel mehr, dass viele Medien- und Kulturschaffende aus eigener Betroffenheit sich so empört fühlen, vielmehr als wegen dem Verbrechen an der Gesellschaft.
Auf jeden Fall stimme ich guten Gewissens "Ja", auch wenn ein gewisser Teil der Bevölkerung glaubt einem für dies verfluchen und beschimpfen zu müssen, so bleibt es ein Vorzug der Demokratie ungleiche Meinungen zu akzeptieren.
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18.12.2017