Die Schweizer Universitäten investieren viel Geld in ihre Kommunikation und produzieren aufwändige Magazine. Brauchen sie da noch Wissenschaftsjournalismus? «Auf jeden Fall», sagt Christian Degen, Leiter Kommunikation und Marketing der Universität Bern. Der Wissenschaftsjournalismus müsse «einordnen und die Leistungen verschiedener Universitäten miteinander vergleichen.» Die Universitäten publizieren vor allem Ergebnisse und portieren einzelne Personen. «Wissenschaftsjournalismus sollte das ganze System reflektieren. Für uns ist der Wissenschaftsjournalismus auch ein wichtiger Kanal in die breite Öffentlichkeit und zur Politik.»
Welche Bedeutung haben die eigenen Kommunikationsleistungen für die Universität Bern?
Kommunikation ist einer der Aufträge, den eine Uni hat: Sie soll Wissen in die Gesellschaft tragen und unsere Aufgabe als Kommunikationsabteilung ist es, sichtbar zu machen, welche Leistungen in Forschung, Lehre und Dienstleistungen die Universität erbringt. Dabei geht es nicht nur jeweils um die neusten Forschungsresultate, sondern auch darum, zu zeigen, wie Wissenschaft funktioniert, welche aktuellen Fragestellungen diskutiert werden und welche Bedeutung Grundlagenforschung hat. Kommunikation ist also eine zentrale Aufgabe für jede Uni. Und dazu gehört auch, die Bedeutung der Universitäten für die Gesellschaft aufzuzeigen, um so zu belegen, dass es für die Gesellschaft wichtig ist, Geld in Forschung und Lehre zu investieren.
Das ist alles Aufgabe der Kommunikationsabteilung?
Nein, eine Universität ist eine Expertenorganisation. Die Kommunikation ist deshalb nicht nur zentral gesteuert. Die Forschenden können selbst am besten Auskunft über ihre Arbeit und ihre Resultate geben. Deshalb kommunizieren viele Forschende auch eigenständig – etwa über Social Media oder sie organisieren eigene Anlässe, die mit uns manchmal auch nicht abgesprochen sind.
Welche Rolle spielt das Magazin «uniFokus»?
«uniFokus» ist für uns ein wichtiger Kanal zur Zielgruppe der Wissenschaftsinteressierten und zu unseren Mitarbeitenden. Die Angestellten erhalten es von Haus aus, Interessierte können es kostenlos abonnieren. Das Magazin erscheint viermal im Jahr und stösst auf grosses Interesse. Es spielt eine wichtige Rolle und wird diese Rolle auch behalten, weil ein gut gemachtes Magazin länger auf einem Coffee Table verweilt. Wir setzen für jedes Heft ein Oberthema fest. Dies ermöglicht es, vertiefter auf ein Thema einzugehen und dieses von vielen Seiten zu beleuchten. Es geht dabei nicht nur um Aktualität, sondern auch darum, zu zeigen, wie Forschung funktioniert und wer die Menschen dahinter sind.
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Wie wichtig sind digitale Kanäle?
Digitale Kanäle sind in jedem Kommunikationsmix heute zentral. Wir richten unsere Angebote im digitalen Raum stark auf spezifische Zielgruppen aus: TikTok für potenzielle Studierende, Instagram für die Studierenden, LinkedIn richtet sich eher an die Mitarbeitenden, Facebook eher an die breite Öffentlichkeit. Darüber hinaus testen wir Mastodon und BlueSky. Und dann haben wir natürlich auch eine Website, ein Onlinemagazin, versenden Medienmitteilungen und verschiedene Newsletter. Die digitalen Leistungen werden natürlich auch von den Medien als Informationsquelle genutzt, was uns auch wieder hilft.
Welche Rolle spielt der Wissenschaftsjournalismus in den journalistischen Medien?
Wissenschaftsjournalismus spielt eine sehr wichtige Rolle – oder sollte eine wichtige Rolle spielen. Wir Universitäten stellen dar, was wir machen. Der Wissenschaftsjournalismus sollte darüber hinaus einordnen und zum Beispiel die Leistungen verschiedener Universitäten oder Studien miteinander vergleichen. Wir publizieren vor allem Ergebnisse und portieren einzelne Personen. Wissenschaftsjournalismus sollte das ganze System reflektieren. Für uns ist der Wissenschaftsjournalismus auch ein wichtiger Kanal in die breite Öffentlichkeit und zur Politik.
Wie nimmst Du den Abbau der Wissensseiten wahr?
Das ist bedauerlich und ein Verlust, auch für die Leserschaft. Wenn es in der Wissenschaft nicht gerade um eine bahnbrechende Entdeckung geht, erreicht sie die Medien nur noch schwer. Es sollte ein zentraler Auftrag der Medien sein, nicht nur Resultate zu zeigen, sondern auch die aktuellen Diskussionen und Auseinandersetzungen abzubilden. Ich habe aus ökonomischer Sicht Verständnis für den Abbau, weil Wissenschaftsjournalismus gut ausgebildete Leute und Zeit braucht, aber es ist schlecht für uns – und für die Gesellschaft.
Welche Rolle spielt SRF?
SRF hat in der Gesellschaft eine zentrale Rolle, weil die Öffentlich-Rechtlichen eine qualitativ hochstehende Dienstleistung garantieren. Das ist für Wissenschaft als Inhalt wichtig. Anders als ein schnell getaktetes Nachrichtenmedium hat SRF eher die Ressourcen, um auch mal hinter die Kulissen zu schauen. Zudem ist SRF nicht auf Gedeih und Verderb Quoten und Aufmerksamkeit ausgeliefert. Ich wünschte mir aber, dass man nicht nur von Wissenschaftsjournalismus redet, sondern dass die Wissenschaft Eingang findet in den ganzen Journalismus. Man sollte die Berichterstattung in den Medien stärker auf die Basis des aktuellen Wissens abstützen, als nur Meinungen und Gegenmeinungen einzuholen.
Wie erreicht die Uni Bern junge Menschen?
Wir haben Angebote wie die Kinderuni, damit sind wir schon auf der Primarstufe aktiv. Zudem bespielen wir TikTok und erreichen damit viele junge Menschen. Mit unserem Wissenschaftsfest «Nacht der Forschung» ermöglichen wir niederschwellige Kontakte mit der Uni. Im Rahmen des Studierendenmarketings gehen wir in die Gymnasien und stellen die Uni und ihre Studiengänge vor. Einzelne Forschende und Fachbereiche richten sich darüber hinaus auch an junge Menschen.
Was ändert die KI?
Aus meiner Sicht ist KI ein willkommenes Hilfsmittel, das wir überlegt einsetzen. Wir setzen KI aktuell vor allem ein für die Zielgruppenanalyse und für Content-Erstellung insbesondere auch für Zusammenfassungen und Übersetzungen. Für uns ist KI ein Werkzeug, das eine Hilfestellung bietet, uns aber die Verantwortung nicht abnehmen kann. Für eine Uni stehen Qualität und Vertrauen im Zentrum. Damit bleibt der Mensch entscheidend. Ich hoffe, dass wir dank KI effizienter werden und unsere Zeit gezielter einsetzen können. In der Gesellschaft hat die KI zur Folge, dass noch mehr Falschinformationen im Umlauf sind. Welche Folgen die KI-Zusammenfassungen der Suchmaschinen für die Besucherzahlen unserer Website haben werden, wissen wir noch nicht.