«Braucht es da wirklich eine Legende?», werde ich ab und zu gefragt, oft leicht verzweifelt, meistens genervt. Sagt denn nicht das Bild schon alles, erklärt sich quasi von selbst? Ich sehe das anders. Klar, wenn ich in der Bildlegende nur festhalte, was auf dem Bild zu sehen ist, kann ich sie tatsächlich gerade weglassen. Eine pointierte Aussage hingegen, ein witziger Dreh, ein knackiges Zitat macht aus der Legende ein kleines Bijou – und ein gewichtiges Instrument, um die Neugierde der Leser:innen zu wecken, sie in den Text hinein zu begleiten.
Die Bildlegende steht gleich unter, neben oder gar im stärksten optischen Reiz, den ein Artikel bietet: im Bild. Ihr Aufmerksamkeitswert sollte nicht unterschätzt werden. Die Legende wegzulassen, ist eine verpasste Chance, sie lieblos in letzter Minute noch hinzuschludern, ein journalistischer Fauxpas. Sie braucht wie Titel und Lead, ja wie der ganze Artikel, die Hingabe und Zuneigung der Autorin oder des Produzenten, sie kann ein Brückenschlag zwischen Bildkonzept und Text sein, eine ganz eigene Geschichte erzählen, mit zusätzlichen Informationen überraschen.
Eine Zeit lang hat das MAZ einen Kurs nur zum Thema Bildlegenden angeboten – dass er inzwischen eingestellt wurde, finde ich bedauerlich. Es widerspiegelt die Realität der Redaktionen, die Zeitnot, den Personalmangel und manchmal leider auch das fehlende Knowhow.
Obwohl ich im Präsidium des Bildlegenden-Fanclubs bin, haben längst nicht alle Bilder in der «annabelle» eine Legende. Das ist okay, denn wir streiten darüber. Und solange wir uns mit ihr auseinandersetzen, lebt die Legende.
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