Wäre die Bildlegende eine Pflanze, sie stünde auf der Liste der gefährdeten Arten. Das hat mit der Digitalisierung zu tun, online hasten wir durch Bilderwelten ohne Zeit fürs Kleingedruckte. Dabei können Bildlegenden etwas. Zum Beispiel uns ein kurzes Lächeln auf die Lippen zaubern. In einem Artikel übers Erben sah man das Foto einer Frau, die sich eine Erdbeere in den Mund steckt. Die Bildlegende? «Auch Reiche leben manchmal von der Hand in den Mund.» Das ist nicht wahnsinnig lustig, aber doch origineller als «In der Schweiz werden 2024 18 Milliarden Franken vererbt».
Anderes Beispiel. Das Bild zeigt Roger Federer als 15-Jährigen. Natürlich kann man darunterschreiben: «Federer mit 15». Schöner wäre vielleicht, was ein Kollege vor Jahren schrieb: «Komisch, auf alten Fotos sieht man immer jünger aus». Oder die hier: Das Bild zeigt einen Schriftsteller, der griesgrämig in die Kamera blickt. Zeile: «Vielleicht sind Schreibblockaden ja ein Segen für die Leser.» Kurz, die Bildlegende lebt!
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