Das Redaktionsgeheimnis ist ein zentrales Prinzip – und doch nicht gegen Eingriffe gefeit.
Von Manuel Bertschi
Eine genaue Bezeichnung einer Quelle von Medienschaffenden liegt im Interesse des Publikums. So gibt es der Schweizer Presserat in seinen Richtlinien vor. In der Realität werden Quellen in den Medien zu ihrem Schutz aber häufig und weitgehend anonymisiert. Der Quellenschutz respektive das Redaktionsgeheimnis ist ein zentrales Prinzip des journalistischen Handwerks und oft Bedingung, damit sich Informanten überhaupt gegenüber Medienschaffenden äussern. Doch der Quellenschutz lässt sich nicht folgenlos durch alle Böden verteidigen. Medienschaffende können unter Umständen sehr wohl dazu gebracht werden, ihre Quellen offenzulegen. Das birgt Risiken – ethische wie rechtliche.
Das Redaktionsgeheimnis
Zunächst aber zum Grundsätzlichen. Das Redaktionsgeheimnis ist Teil der Medienfreiheit und damit grundrechtlich geschützt. Im Medienstrafrecht wird der Schutz der Quellen explizit geregelt (Art. 28a StGB, Art. 172 StPO). Personen, die sich beruflich mit der Veröffentlichung von Informationen im redaktionellen Teil eines periodisch erscheinenden Mediums befassen, können das Zeugnis über die Identität der Autorschaft oder über Inhalt und Quellen ihrer Informationen verweigern. Aus strafrechtlicher Perspektive handelt es sich beim Quellenschutz also um ein Zeugnisverweigerungsrecht. Wenn Medienschaffende aber nicht als Zeugen geladen sind, sondern selber beklagt oder beschuldigt sind, geniessen sie grundsätzlich keine derartigen Privilegien.
Von Relevanz ist dies dann, wenn Medienschaffende Tatsachenbehauptungen publizieren, die potenziell Rechte von Betroffenen verletzen. Dann stehen die Medienschaffenden in der Pflicht, die Wahrheit ihrer Behauptung zu beweisen. Nicht selten führt dies zu Konflikten mit dem Quellenschutz, denn ohne die Nennung der Quellen (zum Beispiel als Zeuge) oder von deren Informationen (zum Beispiel mittels Dokumenten) zur Verteidigung ihrer Publikation können Medienschaffende in Beweisnotstand geraten. Zugespitzt bedeutet das, dass Medienschaffende zur Entscheidung gezwungen werden, ob sie zur Verteidigung ihrer Rechte den erwähnten Wahrheitsbeweis erbringen und damit ihre Quellen offenlegen wollen oder ob sie den Quellenschutz verteidigen und die eigene Verurteilung in Kauf nehmen.
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Die Gerichte müssen dabei abwägen, ob das grundrechtlich geschützte Redaktionsgeheimnis höher zu gewichten ist als der Rechtsschutz der Betroffenen, insbesondere deren rechtliches Gehör. Grundsätzlich gilt: Je wichtiger ein Beweis, desto weniger lässt sich der Quellenschutz hochhalten. Zu bedenken gilt auch, dass es sich beim Quellenschutz – anders als beim Arzt- oder Anwaltsgeheimnis – gerade nicht um eine Rechtspflicht handelt. Medienschaffende sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, ihre Quellen zu schützen.
Prozessuale Kniffe
Wie also können Medienschaffende diesem Dilemma entgegentreten? Helfen kann, wenn bereits im Zuge der Artikelentstehung die Zusammenarbeit mit der Quelle definiert und vereinbart wird. Umso eher, je wahrscheinlicher es ist, dass die geplante Publikation zu einem Rechtsfall wird. Es gilt, die Quellen auf die möglichen Risiken hinzuweisen und gleichzeitig zu bestimmen, ob, wie und wann Medienschaffende Quelleninformationen offenlegen dürfen oder nicht. Im Ernstfall verbleiben auch prozessuale Kniffe, etwa die Schwärzung von Dokumenten zur Vermeidung der Offenlegung von Quellenmerkmalen und weiteren sogenannten Beweisschutzmassnahmen.
So bedeutungsvoll der Quellenschutz für Medien und deren Quellen ist, so stossend wirkt er sich auf die Betroffenen aus. Exemplarisch dafür steht die von Ständerat Andrea Caroni 2021 geäusserte Kritik am Quellenschutz nach Leaks im Zusammenhang mit der Wahl für die Bundesanwaltschaft. In diesem Spannungsfeld wird sich der Quellenschutz immer bewegen.