Handwerk  Künstliche Intelligenz (KI)

06.05.2025

«Männerchor ‹Heimweh› rockt mit fettem Auftritt in Schaan»

ChatGPT machts möglich: News des «Liechtensteiner Vaterlands» werden in Jugendsprache übersetzt. Aus «Vaterland» wird «Brudiland»; es soll die junge Zielgruppe ansprechen, auch wenn es manchmal etwas übertreibt.

Von Bettina Büsser

Vaterland.li hat einen kleinen Bruder. Brudiland.li heisst er und bietet die Online-News des «Liechtensteiner Vaterlands» in einer Art Jugendversion an. «Wir greifen die Nachrichten von der Webseite unserer Tageszeitung ‹Vaterland› ab und jagen sie durch ChatGPT mit dem Prompt, also der Anweisung, die Artikel zu kürzen und in Jugendsprache umzuschreiben. Dann geben wir sie auf der ‹Brudiland›-Seite aus», sagt Daniel Bargetze, CEO der Vaduzer Medienhaus AG, die unter anderem das «Vaterland» herausgibt.

«Brudiland» klingt definitiv anders als das «Vaterland». Aus dem «Vaterland»-Titel «Casinokrise: Regierung noch zurückhaltend» wird zum Beispiel «Casinoproblem: Regierung chillt noch». Oder aus «Männerchor ‹Heimweh› mit stimmgewaltigem Auftritt in Schaan» wird «Männerchor ‹Heimweh› rockt mit fettem Auftritt in Schaan».

Jugendsprache ganz krass

Das Projekt «Brudiland» startete im Frühling 2023. Vorbilder gab es laut Bargetze nicht: «Es war wirklich unsere Idee. Und wir haben es ohne Hilfe von aussen mit unserer IT entwickelt.» Nur «punktuell einbezogen» wurde dabei die «Vaterland»-Redaktion, denn Bargetze wollte zuerst einen Prototyp haben, «um zu zeigen, worum es geht».

Natürlich habe es anfänglich kritische Fragen und einen gewissen Widerstand der Redaktion gegeben: «Sie wollten nicht, dass ihre Arbeit irgendwie lächerlich gemacht wird. Diese Befürchtung konnten wir ausräumen, aber es gab Diskussionen, und es gibt sie noch, was auch gut ist.» Je nachdem, wie die Anweisung an ChatGPT aussieht, klingt die «Brudiland»-Sprache anders.

Im letzten Herbst etwa erschienen eher verwirrliche Texte – der Anfang eines Artikels über mögliche Einschränkungen bei Tik-Tok etwa lautete: «Ziemlich wyld, was für ’ne Big Story da am Start ist. (…) Studien zeigen, dass der Shit ziemlich sus ist und User in eine gefährliche Downward-Spiral ziehen kann.» Bargetze lacht, als er das Beispiel hört. Ja, es habe Phasen gegeben, in denen Texte «so krass verjugendsprachlicht» worden seien, dass man den Inhalt fast nicht mehr verstanden habe. Man habe den Prompt denn auch mehrfach angepasst.

In Berührung kommen

Liechtensteiner Jugendliche haben «Brudiland» anlässlich der JugendMedienWoche beim Start im Mai 2023 beurteilt. «Sie sagten, sie würden nicht so sprechen. Aber sie fanden es lustig», erzählt Bargetze. Wie kommt «Brudiland» heute an? Bargetze hat im Januar Zahlen für die letzten 30 Tage zusammengestellt: Rund 3000 Nutzer:innen wurden in dieser Zeit erreicht, rund 20 Prozent davon riefen die Seite wöchentlich auf, und die durchschnittliche Nutzungsdauer betrug knapp eine Minute*. «Bisher haben wir noch keine Werbung für das Angebot gemacht», so Bargetze: «Wir lassen es einfach laufen.» Es koste ja kaum etwas. «Alle Medien wollen die Zielgruppe Jugend erreichen, aber niemand schafft es, dies zu monetarisieren. Darum war unser Ansatz: Wie erreichen wir sie möglichst kostengünstig? Das haben wir geschafft.»

Unter den Texten auf «Brudiland» befindet sich jeweils ein Link, der zum Original-«Vaterland»-Artikel führt, dieser wiederum steht hinter einer Bezahlschranke. Kann man so Abonnent:innen für das «Vaterland» gewinnen? Man müsse realistisch sein, sagt Bargetze: «Wegen ‹Brudiland› schliesst wohl kaum ein Jugendlicher ein Abo ab. Aber er kommt wenigstens mit dem Thema Nachrichten in Berührung.»

* Das Fürstentum Liechtenstein hat insgesamt rund 41 000 Einwohner:innen.

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