Einschnitte beim Service Public: SRF streicht «Wissenschaftsmagazin» und «Trend».

Mediennews

Sparmassnahmen bei SRF: | 06.02.2025

«Mit solchen Massnahmen schaufelt sich SRF das eigene Grab.»

Neues Sparpaket bei SRF: Jetzt setzt das öffentlich-rechtliche Medienhaus das Messer beim Kernbereich des medialen Service public an. SRF will die Ausgaben bis Ende 2026 um weitere 8 Millionen Franken kürzen und baut 50 Vollzeitstellen ab. SRF streicht dafür publizistische Angebote im Kernbereich, darunter das «Wissenschaftsmagazin» auf SRF 2 Kultur und die Wirtschaftssendung «Trend» sowie das Promi-Magazin «G&G» im Fernsehen. SRF begründet die Kürzungen mit der angespannten finanziellen Situation. Gleichzeitig wolle SRF das Angebot noch stärker «dem Nutzungsverhalten des Publikums» anpassen. Das kommt gar nicht gut an, schon gar nicht bei Fachleuten. So betont Medienwissenschaftler Mark Eisenegger, gerade den Wissenschaftsjournalismus dürfe man nicht einfach an der Quote messen: «Wissenschaftsjournalismus gehört zum Kern des Service public und ist in post-faktischen Zeiten besonders wichtig!» 

Mit Erstaunen, Entsetzen und Unverständnis nimmt die Medienschweiz von einem weiteren Abbau journalistischer Angebote bei SRF und dem mit verbundenen  Stellenabbau Kenntnis. Die Massnahmen seien «unumgänglich», erklärte SRF-Direktorin Natalie Wappler. «Nur so können wir für das laufende Jahr ein ausgeglichenes Budget sicherstellen und gleichzeitig die digitale Transformation von SRF vorantreiben.» Sie begründet die erneuten Einschnitte im Angebot mit «rückläufigen kommerziellen Einnahmen und der «Reduktion des Teuerungsausgleichs auf die Medienabgabe» sowie mit «steigenden Kosten in IT und Technologie». SRF habe bei der Ausarbeitung der Massnahmen «sowohl die Wirkung beim Publikum wie auch die Zukunftsfähigkeit der Angebote» berücksichtigt.

Künftig sehen Fernsehzuschauer am Vorabend «Mini Chuchi, dini Chuchi» sowie eingekaufte Unterhaltungsformate an Stelle des Gesellschaftsmagazins «G&G – Gesichter und Geschichten». Zudem kürzt SRF im Bereich Kultur die Berichterstattung über Film- und Serien. Auf srf.ch und in den Apps werden «wirkungsschwache Inhalte» reduziert. Die Radiosender sollen «längere Wortinhalte durch kürzere Beiträge» ersetzen. Das entspreche den Nutzungsgewohnheiten des Radiopublikums und stärke die Sender in ihrem Programmablauf. So streicht Radio SRF das Wirtschaftsmagazin «Trend» und das «Wissenschaftsmagazin». Die Inhalte würden künftig in den Nachrichtensendungen und im Tagesprogramm zu hören sein. Schon länger bekannt ist, dass SRF 2 Kultur die Sendung «Kontext» einstellt. Im Bereich Musik streicht SRF zudem die Jazz-Sendungen «Jazz World Aktuell», «Jazz Collection», und «Late Night Concert», Künftig gibt es nur noch ein Jazz-Special. Dasselbe gilt für die Klassiksendungen «Musik unserer Zeit» und «Neue Musik im Konzert». Sie werden zum Klassik-Special zusammengelegt.

Vor allem die Streichung des «Wissenschaftsmagazins» stösst auf Unverständnis und sorgt für Kopfschütteln. Mark Eisenegger, Professor am IKMZ der Universität Zürich, schreibt auf LinkedIn: «Ich kann diesen Entscheid nicht nachvollziehen». Er fragt sich, wie sich das begründen lasse: «Wissenschaftsjournalismus gehört zum Kern des Service public und ist in post-faktischen Zeiten besonders wichtig!» Gerade der  Wissenschaftsjournalismus sei in der Krise, weil er in privaten Medien weggespart werde, «auch deshalb muss er in öffentlichen Medien geschützt werden.» Eisenegger betont zudem, dass man Wissenschaftsjournalismus nicht simpel an der Quote messen dürfe. Die SRG müsse weiterhin «auch jene journalistischen Bereiche anbieten, die nicht die ganz grossen Reichweiten erzielen». Es gehe darum, «Opinion Leaders mit Wissenschaftsjournalismus zu erreichen, die gesellschaftlich die Befunde dann weitertragen und so für gesellschaftliche Reichweite sorgen.»

«Der Entscheid muss auf jeden Fall zurückgenommen werden.»

Auch viele andere Beobachter reagieren schockiert. «Ausgerechnet die Wissenschaftsredaktion!», schreibt etwa Literaturwissenschaftlerin Barbara Piatti. «In diesen Zeiten! Unglaublich. Absolut nicht nachvollziehbar.» Thomas Keller, Geschäftsführer der Bâloise Session, sagt: «Geht gar nicht». Der Service public müsse «unbedingt die wissenschaftlichen Gefässe und den Wissenschaftsjournalismus stärken und fördern». Wissenschaftskommunikatorin Pascale Hofmeier kommentiert: «Der Entscheid ist nicht nachvollziehbar. Wer soll denn nun relevante wissenschaftliche Erkenntnisse für eine breite Öffentlichkeit übersetzen und erläutern, wie sich diese allenfalls im Alltag oder zumindest in der Zukunft auswirken?»

Medienanwalt Martin Steiger bringt die strategischen Bedenken auf den Punkt: «Mir ist nicht klar, was die Strategie der SRG ist, um ihr Überleben zu sichern», schreibt er. «Die eigenen Stärken zu demontieren, zum Beispiel den Wissenschaftsjournalismus, wirkt definitiv nicht zielführend.» Jonas Weber, Professor für Strafrecht und Kriminologie an der Uni Bern, doppelt nach: «Für mich ist das ein komplett falscher Entscheid», schreibt er. Es sei genau diese Art von Qualitätsjournalismus, die SRF auszeichne. Darauf zu verzichten sei nicht nur «ein herber Verlust», sondern werde dazu führen, dass «SRF als ganzes entwertet wird und seine Bedeutung verliert. Mit solchen Massnahmen schaufelt sich SRF letztlich das eigene Grab. Der Entscheid muss auf jeden Fall zurückgenommen werden.»

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