Bild: Miguel Suarez

Forschung  Studien

21.11.2024

Schweizer Journalisten sind älter, akademischer und linker als die Bevölkerung

Eine Studie der ZHAW zeigt Nachholbedarf in Sachen Diversität auf den Redaktionen. Während sich die Geschlechterquote angeglichen hat, ordnen sich die Journalistinnen und Journalisten selbst deutlich weiter links ein als die Bevölkerung: 76 Prozent der Befragten politisch links der Mitte – und zwar unabhängig davon, ob sie bei privaten oder öffentlichen Medien arbeiten. Sorgen machen den Medienschaffenden die Anstellungsbedingungen: Die Zahl der befristeten Stellen ist stark angestiegen, viele Journalisten fürchten, innert 12 Monaten ihren Job zu verlieren.

Das Forschungsteam «Journalistik» von Vinzenz Wyss am Institut für angewandte Medienwissenschaft der ZHAW hat 2023 Journalist:innen in der Schweiz befragt. Die repräsentative Studie im Rahmen der international vergleichenden Befragung «Worlds of Journalism» fokussierte dabei auf die Diversität auf den Redaktionen. Der Befund: Es gibt erheblichen Nachholbedarf.

2023 lag der Frauenanteil auf den Redaktionen bei 44 Prozent. Auch im Jahr 2023 arbeiten Frauen weniger häufig in Führungspositionen als Männer – der Unterschied liegt bei rund 7 Prozent. Im Vergleich zu früheren Studien sind Journalisten heute älter: Das Durchschnittsalter auf den Redaktionen beträgt 42.9 Jahre. 87 Prozent der Journalist:innen geben an, dass sie in der Schweiz geboren sind. Von den übrigen 13 Prozent stammen zwei Drittel aus den Nachbarländern Deutschland, Frankreich und Italien.

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Stark angestiegen ist die Zahl der Journalist:innen mit akademischem Abschluss. Im Jahr 2023 beträgt sie 80 Prozent. In der Romandie hat sich der Anteil sogar auf 84 und in der italienischsprachigen Schweiz auf 86 Prozent erhöht. Die zunehmende Akademisierung des Journalismus wurde bereits in früheren Studien festgestellt und kann unter anderem mit der wachsenden Komplexität des Berufs erklärt werden.

Politische Einstellung

Die neuen Daten zeigen, dass sich Journalist:innen im Jahr 2023 politisch weiter links einordnen als noch 2015. Vor neun Jahren ordneten sich Journalisten auf einer Skala von 0 (links) bis 10 (rechts) durchschnittlich bei 4.02 ein. Heute liegt dieser Wert bei 3.04. Journalisten in der Romandie ordnen sich weiter links ein als die in der Deutschschweiz, Journalisten in der italienischsprachigen Schweiz weiter rechts.

Die Studienautoren geben dabei zu denken: «Wer aus der Selbsteinschätzung der politischen Einstellungen von Journalist:innen Schlussfolgerungen im Hinblick auf deren Berichterstattung ziehen will, sollte dies mit Vorsicht tun. So wäre etwa die Folgerung wenig plausibel, mehrheitlich linksorientierte Journalist:innen würden linke Regierungen oder Parteien unterstützen.» Für eine genauere Analyse brauche es eine inhaltsanalytische Untersuchung der Berichterstattung. Bestehende Untersuchung etwa des Forschungszentrums Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) der Universität Zürich zeigen, dass die Berichterstattung der Schweizer Medien eingemittet ist.

Angst vor Jobverlust

Die Studie hat auch die Arbeitsbedingungen der Medienschaffenden untersucht. Im Vergleich zu früheren Befragungen ist die Zahl der Journalisten, die befristete Stellen haben von 6 Prozent im Jahr 2015 auf 23 Prozent angestiegen. Der Anteil der Vollzeitbeschäftigten ist von 57 Prozent auf 50 Prozent gesunken.

Sorgen machen sich die Schweizer Journalisten vor allem um ihr psychisches Wohlbefinden (39 %) und darüber, dass Angriffe gegen Journalist:innen in der Schweiz nicht bestraft werden (34 %). Um ihr körperliches Wohlbefinden ist rund ein Fünftel besorgt (22 %) und 12 Prozent fürchten, dass sie innerhalb der nächsten 12 Monate ihren Job verlieren.

Quelle: Vinzenz Wyss / Louis Schäfer/ Filip Dingerkus / Guido Keel (2024): Journalist:innen in der Schweiz. Wer sie sind, wie sie arbeiten und was sie plagt. Winterthur: ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. (Working Papers in Applied Linguistics 27).

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