Juristisch ist der Fall klar: Wer öffentlich Kritik an der eigenen Arbeitgeberin äussert, kommt in Konflikt mit der Treuepflicht der Arbeitnehmer.
Dürfen Journalisten ihren Arbeitgeber in den Sozialen Medien kritisieren?
Journalisten müssen, wie alle anderen Arbeitnehmenden auch, die allgemeine Treuepflicht beachten. Daraus folgt, dass sie alles zu unterlassen haben, was das Ansehen der Arbeitgeberin gefährden könnte. Öffentliche Kritik an der eigenen Arbeitgeberin steht im Konflikt mit der Treuepflicht der Arbeitnehmer. Die Treuepflicht wird durch die eigenen überwiegenden Interessen der Arbeitnehmer begrenzt. Der konkrete Umfang der Treuepflicht ergibt sich immer aus einer Interessenabwägung und Einzelfallbeurteilung.
SRF ist ein öffentliches Medienhaus – muss es sich da nicht der Kritik stellen?
Auch Journalisten von SRF unterstehen der Treuepflicht. In den publizistischen Leitlinien von SRF wird die Treuepflicht konkretisiert. Daraus folgt, dass öffentliche Kritik von SRF-Journalisten an SRF im Widerspruch zu den eigenen Leitlinien steht. Speziell ist, dass die SRG gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung im Bereich der Kommentarfunktion auf Sozialen Medien grundrechtsgebunden ist. Daraus folgt, dass die SRG diesbezüglich die Meinungsfreiheit zu beachten hat. Allerdings kann auch aus der Meinungsäusserungsfreiheit keine allgemeine Berechtigung zur Kritik an der eigenen Arbeitgeberin abgeleitet werden.
Journalisten sind aber nicht eingebunden in die Kommunikationsprozesse der Unternehmenskommunikation?
Basierend auf dem Weisungsrecht steht es der SRG grundsätzlich zu, Mitarbeitende aufzufordern, die bereits geäusserte Kritik zu entfernen. Nötig ist aber eine Interessenabwägung zwischen den konfligierenden Interessen. In diesem Zusammenhang wäre insbesondere zu prüfen, ob die geäusserte Kritik am eigenen Unternehmen sachlich war oder nicht. Grade SRF-Journalisten sind in ihrem beruflichen Alltag der Sachgerechtigkeit und der Ausgewogenheit verpflichtet. Dass das Sparprogramm von SRF für das Publikum und die Mitarbeitenden spürbar wird, liegt auf der Hand.
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Gilt die Treuepflicht auch, wenn in keinem Arbeitsvertrag und keiner Regelung zu sozialen Medien davon die Rede ist?
Ja, die Treuepflicht ist gesetzlich geregelt und gilt auch ohne anderweitige Regelung.
Was könnten die Konsequenzen einer Verletzung der Treuepflicht sein?
Die Verletzung der Treuepflichten kann folgende Konsequenzen haben:
- Disziplinarverfahren, sofern hierfür eine interne Regelung besteht;
- Kündigung, wobei eine fristlose Kündigung nur bei besonders schweren Verletzungen gerechtfertigt ist;
- Schadenersatz gegenüber der Arbeitgeberin;
- Konventional- und Ordnungsstrafen, sofern überhaupt zulässig und eine genügende Rechtsgrundlage besteht;
- Erfüllungsklage (zum Beispiel gerichtliche Durchsetzung der Löschung der publizierten Kritik).
Die Verweigerung oder Herabsetzung der Lohnzahlung ist dagegen unzulässig.
Sind die Aktivitäten von Journalisten in sozialen Medien private oder berufliche Aktivitäten?
Bei Äusserungen von Journalisten auf Social Media findet häufig eine Vermischung der privaten und beruflichen Ebenen statt. Aus diesem Grund regeln die Publizistischen Leitlinien von SRF diesen Aspekt. Demnach unterstehen insbesondere Mitarbeitende und Führungskräfte, die in jeglicher Form Einfluss auf Inhalt, Gestaltung und/oder Präsentation des publizistischen Angebots von SRF haben, einer erhöhten Sorgfaltspflicht und müssen die journalistischen Grundsätze vollumfänglich auch bei ihren privaten Aktivitäten einhalten. Die übrigen Mitarbeitenden unterstehen diesen hauseigenen Einschränkungen grundsätzlich zwar nicht, können sie jedoch freiwillig einhalten. Der Schweizer Presserat geht mittlerweile davon voraus, dass Journalisten, die sich in Sozialen Netzwerken äussern, grundsätzlich verpflichtet sind, die berufsethischen Regeln einzuhalten.
Die Aufforderung zur Löschung der Beiträge war also legal. War sie auch sinnvoll und legitim?
Wenn es tatsächlich eine Aufforderung zur Löschung war, erachte ich das gewählte Vorgehen als ungeschickt. Die teils heftigen Reaktionen darauf kann man bei einem Unternehmen wie der SRG vorhersehen.
Manuel Bertschi ist Rechtsanwalt bei 4sight legal (Zürich) und Spezialist für Medien- und Urheberrecht