Fehler in der Berichterstattung sind schnell passiert. Das Korrigieren der Fehler dauert manchmal länger.
Von Manuel Bertschi
Irren ist menschlich. Aber wer gibt schon gerne Fehler zu? Auch manchen Medien fällt das schwer. Dabei können Fehler in der Berichterstattung schwerwiegende Folgen für die Betroffenen haben.
Offensichtliche und selbst erkannte Fehler werden von den Medien in der Regel ohne Zutun Dritter korrigiert. Es kommt aber oft vor, dass sich Medienschaffende und Betroffene nicht einig sind, ob überhaupt ein Fehler vorliegt. Soweit journalistische Wertungen betroffen sind, ist der Begriff «Fehler» auch nicht angemessen.
Von journalistischen Fehlern muss man dann sprechen, wenn es um unwahre Tatsachenbehauptungen geht, die dem Tatsachenbeweis zugänglich sind. Auch wenn Tatsachen in der Regel für sich sprechen, bedarf es einer Tatsachen- und Beweisgrundlage, um eine Tatsache als wahr oder unwahr qualifizieren zu können. Gelingt dies, besteht zwischen den Beteiligten zumindest Klarheit darüber, ob ein Fehler vorliegt oder nicht.
Gut sichtbare Berichtigung
Alles klar? Nicht unbedingt. Der journalistische Umgang mit Fehlern gestaltet sich oft als harzig. Wann, wo und wie Fehler korrigiert werden, birgt viel Streitpotenzial. Medien neigen dazu, Korrekturen möglichst wenig Raum zu geben. Betroffene fordern oft das Gegenteil und wollen, dass Fehler an prominenter Stelle berichtigt werden, nicht selten verbunden mit einer Entschuldigung. Sich für Fehler zu entschuldigen, entspricht im privaten Bereich den Regeln des Anstands. Im Berufsalltag scheint dieser Reflex nicht zu greifen. Die Grunde dafür können bei Medienschaffenden vielschichtig sein: Berufsstolz, Angst vor juristischen Schritten (Schuldeingeständnis), mangelnde Einsicht oder das Verhalten der Betroffenen der Berichterstattung.
Journalistenkodex ist eindeutig
Persönliche Befindlichkeiten im Umgang mit journalistischen Fehlern interessieren jedoch weder die Medienethik noch das Medienrecht. So sagt der Journalistenkodex vor, dass Medienschaffende unrichtig wiedergegebene Tatsachen «unverzüglich» zu korrigieren haben (Berichtigungspflicht). In zeitlicher Hinsicht sind Fehler also so schnell wie möglich zu berichtigen. Diese Vorgabe verträgt sich kaum mit der Praxis einer Tageszeitung, jeweils nur am Mittwoch «Korrekt» in gedruckter Form zu publizieren. Nehmen journalistische Fehler das Gewicht einer Persönlichkeitsverletzung an, können Betroffene gestützt auf das Zivilgesetzbuch auch die Publikation einer Richtigstellung verlangen. Umfang und Platzierung haben sich nach dem Umfang und der Stellung zu richten, die der persönlichkeitsverletzende Beitrag hatte.
Es kann also vorkommen, dass journalistische Fehler zum Beispiel auf der Titelseite berichtigt werden müssen. Neben der dargestellten Berichtigung steht Betroffenen bei journalistischen Fehlern auch das (rechtliche) Instrument der Gegendarstellung zur Verfügung. Im Gegensatz zur Berichtigung setzt die Gegendarstellung keine Persönlichkeitsverletzung voraus, es genügt die persönliche Betroffenheit. Das Zivilgesetzbuch schreibt vor, dass sich eine Gegendarstellung «in knapper Form auf den Gegenstand der beanstandeten Darstellung zu beschränken» hat.
Wie Berichtigungen sind auch Gegendarstellungen bei Medien nicht beliebt. Manchmal wird deshalb versucht, eine Gegendarstellung nicht als solche zu bezeichnen, sondern als «Stellungnahme» der Betroffenen zu verkaufen. So unangenehm es für Medienschaffende sein mag, journalistische Fehler zu berichtigen, so weitreichend können die Folgen für die Betroffenen sein. Aus demselben Grund: wegen der öffentlichen Sichtbarkeit.
Insbesondere mediale Fehler bei strafrechtlich relevanten Vorwürfen können für Betroffene etwa zu Compliance-Verfahren mit Banken führen und damit zu finanziellen Konsequenzen wie Kontosperren. Diese und weitere Folgen bleiben den Medienschaffenden oft verborgen. Im Sinne einer verbesserten Fehlerkultur könnte es den Medien helfen, diese Folgen nicht nur zu kennen, sondern sie auch bei der Art und Weise der Berichtigung zu berücksichtigen.
Ebenso dient ein transparenter Umgang mit Fehlern dem Publikum: Wer Fehler einräumt und korrigiert, stärkt damit das Vertrauen der eigenen Klientel.
Als löbliches Beispiel gilt diesbezüglich die Korrekturspalte der «New York Times». Auch Schweizer Medien können korrigieren – wenn sie denn wollen.
Manuel Bertschi ist Rechtsanwalt bei Zulauf Partner (Zürich) und Spezialist für Medien- und Urheberrecht.
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